Bundeskartellamt mahnt die Fusion E.ON/Gelsenberg (Ruhrgas) ab
03.12.2001
Nach Einschätzung des Bundeskartellamtes führt der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der Gelsenberg AG, Essen durch die E.ON AG, Düsseldorf (E.ON) zur Verstärkung marktbeherrschender Stellungen sowohl beim Absatz von Gas als auch beim Absatz von Strom. Kartellamtspräsident Ulf Böge: "Die Abmahnung ist noch keine Entscheidung. Aber sie ist die Mitteilung an die Unternehmen, dass nach der Analyse des Bundeskartellamtes die Verbindung von E.ON und Ruhrgas in einer Phase beginnender Liberalisierung auf den Gasmärkten einerseits zu einer Zementierung der marktbeherrschenden Stellung der Ruhrgas führt. Damit werden die Chancen für wirksamen Wettbewerb durch andere Ferngasunternehmen von vornherein deutlich verschlechtert. Andererseits wird die Marktposition von E.ON auf der Stromseite weiter abgesichert, was sich zu Lasten kleiner Wettbewerber und damit auch der Verbraucher auswirken kann."
Die Ruhrgas ist das größte deutsche Ferngasunternehmen. Selbst auf einem nationalen Markt, der nach Auffassung des Bundeskartellamtes wegen des fehlenden Durchleitungswettbewerbs im Gasbereich nicht zugrundegelegt werden kann, hätte das Unternehmen einen Marktanteil von mehr als 60%. Daneben besitzt die Ruhrgas als einziges Ferngasunternehmen einen überragenden Zugang zu allen für die Belieferung Deutschlands in Frage kommenden Gasförderquellen (Norwegen, Russland, Niederlande, Großbritannien, einheimische Quellen). Sie verfügt über das ausgedehnteste Ferngasleitungsnetz und die mit Abstand höchsten Speicherkapazitäten, die für die Regulierung von Absatzschwankungen bedeutend sind.
Auf der Ferngasstufe führt die Verbindung von Ruhrgas und E.ON zu einer strukturellen Sicherung des Absatzes der Ruhrgas an E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen und damit zur Verstärkung ihrer marktbeherrschenden Stellung. Ruhrgas erhält die Chance, diesen Anteil durch bevorzugte Berücksichtigung beim Neuabschluss von Gasbezugsverträgen weiter auszubauen. Die E.ON-Konzernunternehmen im Leitungsgebiet der Ruhrgas (z.B. Avacon AG, Helmstedt, Schleswag AG, Rendsberg, Heingas Hamburger Stadtwerke GmbH, Hamburg, und Gelsenwasser AG, Gelsenkirchen mit ihrer 100%igen Tochtergesellschaft Niederrheinische Gas- und Wasserwerke GmbH, Duisburg) verstärken ihre marktbeherrschenden Stellungen bei der Belieferung von letztverbrauchenden Gasgroßkunden und lokalen Gasweiterverteilern (Stadtwerken), da sie nach der Fusion nicht mehr mit potentiellem Wettbewerb der Ruhrgas rechnen müssen.
Infolge der mittelbaren Erhöhung der E.ON-Beteiligung an dem Ferngasunternehmen VNG Verbundnetz Gas AG (VNG), Leipzig, von 5% (bisheriger eigener Anteil) auf rund 42% (Ruhrgas-Anteil) lässt das Zusammenschlussvorhaben auf der Ferngasstufe die Verstärkung marktbeherrschender Stellungen der VNG bei der Belieferung von Gasweiterverteilern durch Sicherung des Absatzes an E.ON-Konzern- und Beteiligungsunternehmen erwarten. Die Verstärkung marktbeherrschender Stellungen von E.ON-Konzern – und Beteiligungsunternehmen, die im Ferngasleitungsnetz der VNG liegen (z.B. HGW Hansegas GmbH, Schwerin, und Ostmecklenburgische Gasversorgung AG Neubrandenburg GmbH, Neubrandenburg), bei der Belieferung von industriellen/gewerblichen Großkunden und lokalen Gasweiterverteilern (Stadtwerken) ist durch den Wegfall potentiellen Wettbewerbs der VNG zu erwarten.
Im Strombereich würde das Zusammenschlussvorhaben ebenfalls zur Verstärkung marktbeherrschender Stellungen führen. Erdgas wird in Kraftwerken zunehmend als Primärenergie zur Stromerzeugung eingesetzt. Ein maßgeblicher Einfluss auf den Primärenergie-Lieferanten Ruhrgas würde die marktbeherrschende Stellung von E.ON und RWE auf den bundesweiten Märkten für die Belieferung von industriellen/gewerblichen Stromkunden sowie für die Belieferung von weiterverteilenden Stromregionalversorgungsunternehmen und Stadtwerken verstärken. Die Unternehmen haben vor einer endgültigen Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2001. Sie haben die Möglichkeit, wettbewerbsverbessernde Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen die Bedenken des Bundeskartellamtes ausgeräumt werden können.