Bundeskartellamt legt Tätigkeitsbericht 2001/2002 vor
23.07.2003
Der Präsident des Bundeskartellamtes, Dr. Ulf Böge, hat anlässlich der offiziellen Vorstellung des Tätigkeitsberichtes des Amtes für die Jahre 2001/2002 [1] heute in Bonn beklagt, dass Unternehmen oft in gravierender Weise gegen das Kartellrecht verstießen. Festzumachen sei dies insbesondere an den in letzter Zeit aufgedeckten Kartellabsprachen. Das Bundeskartellamt habe deshalb seine Tätigkeit bei der Bekämpfung von Kartellen verstärkt und auch der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen mehr Gewicht gegeben. Die Fusionskontrolle bilde - gemessen an den Fallzahlen -aber weiterhin den Schwerpunkt der Tätigkeit des Amtes.
Trotz einer deutlichen Abkühlung der weltweiten Fusionsaktivitäten lag die Zahl der beim Bundeskartellamt angemeldeten Fälle mit 1568 im Jahr 2001 und 1584 im Jahr 2002 aber noch über dem längerfristigen Durchschnitt. Im Berichtszeitraum wurden insgesamt acht Fusionsvorhaben durch das Bundeskartellamt untersagt – doppelt so viele wie im Zeitraum 1999/2000. Die Bedeutung und Wirkung der Fusionskontrolle zeigt sich jedoch nicht nur in Untersagungsentscheidungen, sondern auch in den Vorfeldfällen, die von den Unternehmen vor einer förmlichen Entscheidung aufgegeben wurden (46) sowie in den Freigaben, die nur unter Auflagen erteilt werden konnten (25). Kartellamtspräsident Ulf Böge bezeichnete in diesem Zusammenhang die Ministererlaubnis als ein sinnvolles Instrument zur klaren Trennung zwischen der wettbewerblichen und der außerwettbewerblichen Beurteilung. Böge äußerte die Erwartung, dass die Fusionsaktivität mit einer Stabilisierung des Aktienmarktes erneut anziehen werde.
Das Bundeskartellamt hat die Bekämpfung von Kartellabsprachen in den Jahren 2001 und 2002 weiter intensiviert. Nach Einführung der Bonusregelung im April 2000 hat das Amt im März 2002 die Sonderkommission Kartellbekämpfung eingerichtet. Dies hat die Aufdeckung und Ahndung verbotener Preis-, Mengen- oder Gebietsabsprachen erheblich erleichtert. Die Durchsuchungen bei Unternehmen der Zementindustrie im Juli 2002 haben im April 2003 zur Verhängung des bislang höchsten Bußgeldes von rund 661 Mio. Euro gegen die sechs größten Zementhersteller geführt. Auch die im Berichtszeitraum in anderen Branchen durchgeführten Durchsuchungen haben zu intensiven Ermittlungen geführt. So hat das Bundeskartellamt am 21. Juli 2003 Beschuldigungsschreiben an sieben große Industrieversicherer versandt. Böge forderte die Unternehmen dazu auf, in ihren Anstellungsverträgen für Führungskräfte wirksame personelle Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung bei eventueller Beteiligung an Kartellabsprachen vorzusehen.
Neben der Kartellbekämpfung hat auch die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen in den Jahren 2001 und 2002 an Bedeutung gewonnen. Die im August 2001 eingerichtete 11. Beschlussabteilung hat bis Ende 2002 zwölf förmliche Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Netznutzungsentgelte gegen Stromnetzbetreiber eingeleitet. Anfang 2003 ergingen zwei förmliche Untersagungsentscheidungen gegen die Thüringer Energie AG und die Stadtwerke Mainz. Missbrauchsverfügungen in anderen Bereichen betrafen u. a. die Verdrängungsstrategie der Lufthansa, die Unter-Einstandpreis-Verkäufe von Walmart, Lidl und Aldi Nord oder den Boykottaufruf des Dualen Systems. Daneben konnten verschiedene missbräuchliche Verhaltensweisen z. B. der Deutschen Bahn auf informellem Wege gestoppt werden.
Im Rahmen eines Ausblicks auf aktuelle wettbewerbliche Entwicklungen wies Böge insbesondere auf die notwendige Intensivierung der Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden auf europäischer und internationaler Ebene hin. Große Bedeutung komme in den nächsten Monaten der Anpassung des deutschen Rechts an die neuen europäischen Kartellrechtsbestimmungen zu. Die siebte GWB-Novelle sei unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit in Vorbereitung. Eine zentrale Weichenstellung werde zudem mit der noch in diesem Jahr zu erwartenden Entscheidung über das neue Rahmenwerk zur Durchsetzung von Wettbewerb im Strom- und Gasbereich erfolgen. Die zentrale Frage werde dabei sein, welche Regelungstiefe der Gesetzgeber vorgebe und ob es bei einer einheitlichen Anwendung eines verbesserten Wettbewerbsrechts bleibe oder sich ein System von branchenspezifischen Regulierern entwickle.
Böge betonte abschließend: „Neben der praktischen Anwendung des Wettbewerbsrechts in Einzelfällen bleibt das Werben für das Wettbewerbsprinzip eine Daueraufgabe des Bundeskartellamtes. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gilt es, das Bewusstsein der Marktteilnehmer zu stärken, dass eine am Wettbewerbsprinzip orientierte Wirtschaftsordnung die Bedürfnisse der Verbraucher am besten befriedigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft am besten gewährleisten kann.“
[1] Der Tätigkeitsbericht ist im Volltext über die Website www.bundeskartellamt.de abrufbar.